„Die Kunst des Scheiterns“
Ein Resümee der Podiumsdiskussion, initiiert von mentoringArts und dem Studierendenrat
Die Angst vor dem Scheitern greift jeden irgendwann an. Scheitern klingt anstößig, Blamage ist peinlich und niemand möchte zu den „Gescheiterten“ gehören, auch darüber zu reden ist unangenehm. Aber ist die Kunst ohne Scheitern überhaupt denkbar? Muss der Umgang damit nicht viel mehr in die künstlerische Arbeit integriert werden?
Am Donnerstag, den 26. April griffen wir in der Cafeteria diese Fragen auf. Warum? Weil die Leidensgeschichten von Musiker_innen als exemplarisch dafür gelten, was der Druck, Fehler zu vermeiden, im Menschen bewirken kann. Hierüber ist sich auch die (Forschungs-)Literatur einig.
Auf dem Podium nahmen Brigitte Wohlfarth, Gesangsprofessorin der HMT Leipzig, Fabian Schütze von der Agentur Golden Ticket und Ulrike Seidel, Diplom Psychologin in der Psychosozialen Beratungsstelle für HMT Studierende des Studentenwerks Leipzig Platz.
Fabian Schütze arbeitet als Agenturchef mit Künstlerinnen und Künstlern zusammen, die unterschiedliche Ausbildungsbiografien aufweisen und stellt durchaus Unterschiede fest, wenn es um den Umgang mit Enttäuschungen geht. Autodidakten, mit denen sich Hochschulabsolventen den Musikmarkt teilen, würden weniger verkopft an Probleme herangehen und könnten schneller Nativitäten ablegen. Erfolg sei allerdings subjektiv. Als Musikmanager ginge es ihm darum, dass zunächst das Potential erkannt und ausgeschöpft werden müsse. Natürlich spielten hierbei auch Verkaufszahlen eine Rolle. Wenn eine Künstlerin oder ein Künstler die Kraft habe, ein hochgestecktes Ziel anzugehen, dann müsse er oder sie auch die Kraft aufbringen, mit einer Niederlage umzugehen, so Schütze.
Manche Musikerinnen und Musiker leben einen Traum, der schon im Kindesalter beginnt, und merken nicht, dass dieser zum Albtraum geworden ist. Frau Professorin Brigitte Wohlfarth rät ihren Studierenden, dass sie spüren lernen, ob das noch guttut, was man macht und dass es Zeit bedarf, um nachzuforschen: Was war und was ist der Traum? Scheitern solle nicht immer negativ betrachtet werden, sondern in einen positiven Kontext gesetzt werden, nach dem Motto: „If you fail, fail gloriously!“
Fabian Schütze wies jedoch zu Recht darauf hin, dass es als Künstlerin und Künstler unabdingbar sei, die Imperative des Marktes, das erforderliche Wissen über Selbstorganisation und die Realitäten des Berufsfeldes zu kennen. Allein das künstlerische Vermögen (oder Unvermögen) führten nicht zum Erfolg (oder Misserfolg).
Sich der Angst zu stellen und sie nicht von vorn herein zu vermeiden, ist die notwendige und erlernbare Strategie, die Ulrike Seidel den Studierenden rät. Entscheidend ist, nach einer Enttäuschung wieder aufzustehen und die Kreativität nicht vom Druck, der sich im Studium weiter aufbaut, kaputt machen zu lassen. Hierfür ist es immer hilfreich, sich jemandem anzuvertrauen, der mit einem Blick von außen auf die sich widerstreitenden Gedanken „Versager-sein“ und „versagen“ schaut.
Dass das Thema ein äußerst sensibles ist, zeigten die zaghaften Wortmeldungen aus dem Publikum. Die Angst vor dem Scheitern ist eine intime Angelegenheit, über die wir uns nur im kleinen Kreis zu sprechen trauen. Und das hat auch kulturelle Ursachen: Verglichen mit anderen Ländern, werden in Deutschland Fehler und Misserfolge unnachsichtig geahndet. Das bedeutet einerseits, dass wir hierzulande gut in der Fehlervermeidung sind, andererseits jedoch sehr schlecht mit Problemen umgehen können. Je mehr die Leistung zum Kriterium für den Erfolg wird, je größer die Sehnsucht nach Anerkennung (von außen) wird, desto schneller wird Scheitern vorweggenommen, obwohl es noch gar nicht passiert ist. Das sagt auch die Leiterin der Lampenfieberambulanz für Musikerinnen und Musiker in Bonn, Déirdre Mahkorn-Cooper. Sie betont, wie wichtig deshalb Prävention sei und zwar schon als Teil der Hochschulausbildung.
Worin liegt nun die Kunst des Scheiterns? Zum Beispiel darin, sich von der ausschließlich negativen Konnotation zu verabschieden, in dem wir uns selbst unverklärt in die Augen schauen und den Mut zum Verlassen alter und zum Betreten neuer Wege finden (frei nach Konstantin Wecker). Dann können wir auch erfolgreich scheitern.
Das Format der Podiumsdiskussion zur Mittagszeit ist aus Sicht der Veranstalter sehr gewinnbringend. Wir möchten gerne weitere Themen, die die Studierenden interessieren, zu Gehör bringen. Der StuRa und mentoringArts freuen sich über Ideen, Anregungen und Hinweise.
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Impuls Kulturpolitik
Kultur & Wirtschaft = Zusammenarbeit
Kultur und Wirtschaft scheinen sehr gegensätzliche Konzepte zu vertreten: Auf der einen Seite steht die Kultur als zweckfreie Form der künstlerischen Selbstverwirklichung mit oftmals kritischem Blick, fernab wirtschaftlicher Erwägungen. Auf der anderen Seite steht die zielgerichtete, gewinnorientierte Welt der Ökonomie. Offenbar treffen zwei Sphären mit ganz unterschiedlichen Haltungen aufeinander.
Mit dieser Beobachtung startete am 10.4.2018 um 19 Uhr der Impuls Kulturpolitik im Kunstkraftwerk Leipzig. Das Dezernat Kultur lud in Person von Kulturbürgermeisterin Dr. Skadi Jennicke ein, um Fragen nachzugehen wie: Mit welchen Erwartungen gehen Kulturakteure und Wirtschaftsvertreter aufeinander zu? Welche Möglichkeiten eröffnet Kultursponsoring? Welche Grenzen sind damit verbunden? Wie wird ein professionelles Sponsoringkonzept erarbeitet? Gibt es andere Modelle der Begegnung auf Augenhöhe? Wie können gemeinsame Projekte gelingen?
Für mentoringArts eine spannende Veranstaltung, weil an diesem Abend sehr unterschiedliche Akteure geladen waren, die den Blick auf den konkreten Arbeitsmarkt für Kunst- und Kulturschaffende warfen. Für unsere Mentees ist es wichtig, zu hören welche Erfahrungen für Branchenexpert_innen am Beginn ihrer Karriere wichtig waren. Und welche Kompetenzen vonnöten sind, um das Ziel zu erreichen, nicht nur künstlerisch, sondern auch wirtschaftlich erfolgreich zu sein.
Es waren neun Gäste eingeladen, die, moderiert vom Kulturressortleiter der LVZ, Peter Korfmacher, aus ihrem Alltag und von Best-, aber auch von Worst-Practice-Beispielen erzählten: Für Stefan Heilig vom Jazzclub Leipzig war ein zentrales Anliegen, dass das eigene Leitbild – oder Mission Statement –sehr klar sein muss, um keine falschen Erwartungen beim Gegenüber zu wecken. Also: Was können wir anbieten, was wollen wir vielleicht aber auch nicht? Gerade für (basisdemokratische) Vereine – oder gleichberechtigte Musiker_innen einer Band – sei dies ein wichtiger Schritt bevor man überhaupt jemanden anspricht.
Der Leiter der Marketing-Abteilung des Gewandhauses, Christian Fanghänel, sprach wie einige andere an diesem Abend auch, vom Beziehungsmanagement, dass man sehr ernst nehmen müsse. Dafür müsse man seine eigenen Ressourcen aber gut kennen, sodass man diese kreativ einsetzen und immer wieder neue Ideen schmieden kann, welche Gegenleistung zum Sponsoring man geben kann, wie etwa die Nutzungsrechte der „Marke“, die Nutzung von Räumen, Karten für ein Konzert oder ein eigenes Event.
In eine ähnliche Richtung fragte Gudula Kienemund von den Leipziger Kulturpaten: Kennen euch eigentlich eure Nachbarn? Kennt ihr euer Netzwerk? Was könnt ihr mit den Ressourcen gut bedienen, die ihr habt? Auch sie hob die Beziehungsarbeit hervor, die im Prinzip einer Lobbyarbeit gleiche.
Am Beispiel der (Erfolgs-)Geschichte vom Ensemble amarcord erzählte Bass Holger Krause, wie sehr die Griechen mit ihrem Orakel von Delphi Recht hatten: „Erkenne dich selbst“. Denn, wer ein Publikum gewinnen will und ergo sich in der Öffentlichkeit darstellt, sollte auch viel über sich selber wissen. Dahin zu gelangen, sei gar nicht leicht, denn so ein Markenkern hat ein Alleinstellungsmerkmal. Und das wiederum kann man nur entwickeln, wenn man sich selbst er-kennt.
Annekatrin Michler von der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig, die in Personalunion Unternehmerin ist und sich selbst künstlerisch im Theater engagiert, schickte noch eine andere Botschaft in den Raum: Vermarkten Sie sich selbstbewusster! Versuchen Sie sich reinzufühlen: Wie geht es einer/m mittelständischen Unternehmer_in? Was ist der Alltag? Welche Erwartungen könnte es geben? Sie ist sich sicher: Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels braucht es andere, künstlerische Perspektiven, um mit Fantasie und Experimentierfreude aus dem Alltag rauszukommen. Und dazu seien Künstler_innen prädestiniert. Warum also nicht mal eine Anfrage, eine Kooperation beim Handwerker um die Ecke anfragen?
Die Veranstaltung bestätigte uns in unserem Ansatz, nicht nur die künstlerische Ausbildung, sondern auch das eigene Selbstmanagement sehr ernst zu nehmen und bereits im Schutzraum des Studiums Kompetenzen zu vermitteln und erste Wege auszuprobieren. Und damit, so konnte am Abend beschlossen werden, sind die Sphären Kultur und Wirtschaft vielleicht gar nicht so weit voneinander entfernt – aber sie dürften jeweils nicht ständig darauf warten, dass der/die Andere den ersten Schritt mache.
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